>Es gab nie eine Zusage!
das würde ich so nicht sagen. ich behaupte es gab diese zusage,
einmal von genscher an schewardnadse in bonn, ein zweites mal kurz darauf von kohl an gorbatschow in
moskau. einige der involvierten wollten es offenbar vergessen oder verdrängen oder sich missverstanden
fühlen, hätten es so nicht gemeint usw. wie auch immer, es wird wohl nicht mehr zu beweisen sein. wozu
auch, wir alle wissen dass politiker schriftliche verträge brechen, warum sollten sie mit einem
mündlichen versprechen anders verfahren?
>Sehr wohl aber gibt es den Vertrag von Budapest
1994 in dem auch
>Rußland der Ukraine die Unverletzlichkeit ihrer Grenzen garantiert hat.
ich redete über die schuld des westen, nicht über guter junge böser junge. ausserdem bin ich
unbefangen, weil befangenheit trübt den blick
der spiegel 23.11.2009
von Klußmann, Uwe; Schepp, Matthias; Wiegrefe, Klaus
Russlands Präsident Medwedew wirft dem
Westen Wortbruch vor. Die Nato-Osterweiterung verstoße gegen Zusagen, die 1990 in den Verhandlungen zur
deutschen Einheit gegeben worden seien. Dokumente aus westlichen Archiven stützen den russischen
Verdacht. Niemand in Russland kann seiner Wut über die Erweiterung der Nato nach Osten vor
Millionenpublikum so ungestüm freien Lauf lassen wie Wiktor Baranez. Der Starkommentator der
Boulevardzeitung "Komsomolskaja prawda" ("Wahrheit der Komsomolzen") wettert gern gegen das
"heimtückische und draufgängerische" westliche Militärbündnis. Russland müsse endlich aufhören, die Nato
als Partner zu sehen. Warum über gemeinsame Manöver nachdenken, wenn man betrogen worden sei? Die Nato
"hat sich mit ihren Kanonen bis an unsere Staatsgrenzen vorgebohrt", schreibt der Oberst a. D., der unter
Boris Jelzin Sprecher des Verteidigungsministers war. Und zwar entgegen allen Versprechungen, die im
Prozess der deutschen Einigung gemacht worden seien. In Moskau herrscht quer durch alle politischen
Lager, von den Nationalpatrioten über die Kommunisten bis zur Putin-Partei "Einiges Russland", ein
politischer Konsens: Der Westen habe sein Wort gebrochen und Russland, als es schwach war, über den Tisch
gezogen.
Als Präsident Dmitrij Medwedew den SPIEGEL Anfang November in seiner Residenz vor den Toren
Moskaus empfing, klagte er darüber, dass es nach dem Fall der Mauer nicht gelungen sei, "Russlands Platz
in Europa neu zu definieren". Was habe Russland erhalten? "Nichts von dem, was uns zugesichert worden
ist: dass die Nato nicht endlos nach Osten erweitert wird und unsere Interessen stets berücksichtigt
werden". Über die Frage, was Moskau 1990 tatsächlich versprochen wurde, tobt ein historischer Streit mit
tiefgreifenden Konsequenzen für das künftige Verhältnis Russlands zum Westen. Aber was ist die Wahrheit?
Die Versionen der Akteure laufen quer durch alle Lager. Natürlich habe es eine Zusage gegeben, die Nato
"keinen Daumen breit Richtung Osten auszuweiten", sagt heute in Moskau Michail Gorbatschow, der damalige
sowjetische Staatschef. Sein früherer Außenminister Eduard Schewardnadse im georgischen Tiflis hingegen
erzählt, man habe vom Westen nichts Derartiges bekommen. Schon eine Auflösung des Warschauer Paktes, des
östlichen militärbündnisses, "lag außerhalb unserer Vorstellungswelt".
James Baker, Schewardnadses
US-Kollege von 1990, bestreitet schon seit Jahren eine Absprache; der damalige US-Botschafter in Moskau,
Jack Matlock, hingegen sagt, Moskau habe eine "eindeutige Zusage" bekommen. Hans-Dietrich Genscher
wiederum, 1990 Chef im Bonner Auswärtigen Amt, verneint genau das.
Der SPIEGEL hat mit
zahlreichen Beteiligten gesprochen und vor allem britische und deutsche Dokumente gesichtet. Danach kann
es keinen Zweifel geben, dass der Westen alles getan hat, den Sowjets den Eindruck zu vermitteln, eine
Nato-Mitgliedschaft von Ländern wie Polen, Ungarn oder der CSSR sei ausgeschlossen. So sprach Genscher am
10. Februar 1990 zwischen 16 und 18.30 Uhr mit Schewardnadse, und der bis vor kurzem geheim gehaltene
deutsche Vermerk hält fest: "BM (Bundesminister): Uns sei bewusst, dass die Zugehörigkeit eines vereinten
Deutschlands zur Nato komplizierte Fragen aufwerfe. Für uns stehe aber fest: Die Nato werde sich nicht
nach Osten ausdehnen." Und da es in dem Gespräch vor allem um die DDR ging, fügte Genscher ausdrücklich
hinzu: "Was im Übrigen die Nichtausdehnung der Nato anbetreffe, so gelte dieses ganz generell."
Schewardnadse antwortete, er glaube "allen Worten des BM".
1990 war das Jahr der großen
Verhandlungen. Washington, Moskau, London, Bonn, Paris, Warschau, Ost-Berlin und viele andere stritten um
die deutsche Einheit, um eine umfassende europäische Abrüstung und eine neue Charta der KSZE, der
Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Die Sowjets drängten darauf, möglichst alles
schriftlich zu fixieren, selbst wenn es "nur" um das Schicksal sowjetischer Soldatenfriedhöfe in
Ostdeutschland ging. Doch ausgerechnet zum Thema Ausdehnung der Nato nach Osteuropa findet sich in den
zahlreichen Abkommen kein Wort. Moskau könne keine Ansprüche erheben, argumentiert deshalb die westliche
Seite. Schließlich habe man nichts unterschrieben. Anfang 1990 war die Sowjetunion noch eine Weltmacht,
deren Truppen an der Elbe standen, und in Ost-Berlin regierte der frühere Dresdner SED-Bezirkschef Hans
Modrow. Doch der Zusammenbruch des ostdeutschen Staates war abzusehen. Die Bonner Verbündeten in Paris,
London und Washington trieb die Frage um, ob ein geeintes Deutschland bereits Mitglied der Nato sein
könne oder - wie schon zuvor in der Geschichte - eine Schaukelpolitik zwischen Ost und West verfolgen
werde. Genscher wollte diese Unsicherheit beenden, und so bekannte er sich am 31. Januar in Tutzing in
einer großen Rede zum Westen. Deshalb solle auch ein geeintes Deutschland der Allianz angehören. Doch wie
konnte man die sowjetische Führung für eine solche Lösung gewinnen? "Ich wollte ihnen über die Hürde
helfen", sagt Genscher heute. Also versprach der Bonner Außenminister in Tutzing, "eine Ausdehnung des
Nato-Territoriums nach Osten, das heißt näher an die Grenzen der Sowjetunion heran", werde es nicht
geben. Ostdeutschland sollte nicht in die militärischen Strukturen der Nato einbezogen werden und den
Ländern Osteuropas die Tür zum Bündnis verschlossen bleiben. Genscher erinnerte sich, was 1956 beim
Ungarn-Aufstand passiert war. Teile der Aufständischen hatten verkündet, sie wollten dem westlichen
Bündnis beitreten, und Moskau damit den Vorwand für ein militärisches Eingreifen geliefert. Bonns
Außenminister wollte Gorbatschow signalisieren, dass er eine solche Entwicklung im roten Imperium nicht
zu fürchten brauchte. Der Westen wolle den Wandel mit der Sowjetunion gestalten - und nicht gegen sie.
Der Genscher-Plan, der in Tutzing verkündet wurde, war weder mit dem Kanzler noch mit den Verbündeten
abgestimmt, um deren Unterstützung der Mann aus Halle in den folgenden Tagen warb. Der Außenminister habe
sich in jener Zeit mit "der Vorsicht eines Rieseninsekts bewegt, das mit seinen vielen Fühlern das Umfeld
abtastet, bereit, zurückzuzucken, wenn es Widerstand spürt", schrieb später Genschers Bürochef Frank
Elbe. US-Außenminister Baker, ein pragmatischer Texaner, "erwärmte sich sofort für den Vorschlag". Am 2.
Februar saßen die beiden Außenminister in Bakers Arbeitszimmer in Washington vor dem Kamin, legten die
Jacketts ab und die Beine hoch und diskutierten den Lauf der Welt. Rasch herrschte Einigkeit. Keine
Nato-Ausdehnung nach Osten. "Das war völlig klar", berichtet Elbe.
Kurz darauf schloss sich der
britische Außenminister Douglas Hurd dem deutsch-amerikanischen Konsens an. Genscher war gegenüber dem
vergleichsweise deutschfreundlichen Briten ungewöhnlich offen, als sie sich am 6. Februar 1990 in Bonn
trafen. Das zeigt ein bislang unbekanntes Dokument aus dem Auswärtigen Amt. In Ungarn standen die ersten
freien Wahlen an, und der Bonner Außenminister erklärte, die Sowjetunion "brauche die Sicherheit, dass
Ungarn bei einem Regierungswechsel nicht Teil des westlichen Bündnisses werde". Das müsse man dem Kreml
zusichern. Hurd stimmte zu. Doch war an eine Zusage mit Ewigkeitswert gedacht? Offenbar nicht, denn als
die beiden Kollegen über Polen sprachen, meinte Genscher den britischen Akten zufolge, falls Warschau
eines Tages den Warschauer Pakt verlasse, müsse Moskau die Gewissheit haben, dass Polen "nicht am
nächsten Tag der Nato beitritt". Den Beitritt mit einem zeitlichen Abstand scheint Genscher hingegen
nicht ausgeschlossen zu haben. Es lag nahe, dass Genscher seine Ideen nun in Moskau präsentieren würde.
Er war der dienstälteste westliche Außenminister, sein Verhältnis zu Gorbatschow und Schewardnadse
ungewöhnlich gut, besser als das Helmut Kohls, und es war seine Initiative. Doch Baker wollte das Thema
bei seiner nächsten Moskau-Reise lieber selbst ansprechen. Unumstritten ist, was der US-Außenminister am
9. Februar 1990 im prachtvollen Katharinensaal des Kreml erklärte. Das Bündnis werde seinen
Einflussbereich "nicht einen Inch weiter nach Osten ausdehnen", falls die Sowjets der Nato-Mitgliedschaft
eines geeinten Deutschland zustimmten. Darüber werde man nachdenken, meinte Gorbatschow und fügte hinzu,
ganz gewiss sei eine "Expansion der Nato-Zone inakzeptabel". Auch 20 Jahre später reagiert Gorbatschow
noch empört, wenn er auf diese Episode angesprochen wird: "Man kann sich auf die amerikanischen Politiker
nicht verlassen." Denn Baker verbreitet inzwischen eine andere Lesart seines Auftritts. Er habe 1990 doch
nur über Ostdeutschland gesprochen, das eben einen Sonderstatus im Bündnis erhalten sollte. Über mehr
nicht. Dabei hatte Genscher einen Tag später im Gespräch mit Schewardnadse seinerseits ausdrücklich auf
Osteuropa Bezug genommen, schließlich entsprach es der Logik der westlichen Position, auch über Osteuropa
zu reden. Wenn man schon Ostdeutschland einen besonderen Status in der Nato zuerkennen wollte, um die
sowjetische Führung nicht zu provozieren, dann musste die Zusage einer Nichterweiterung im Osten erst
recht Länder wie Ungarn, Polen und die CSSR einschließen, die direkt an die Sowjetunion grenzten. Als die
westlichen Politiker einige Wochen später wieder unter sich waren, redeten sie denn auch Tacheles, wie
aus einem jetzt zugänglich gewordenen Dokument des Auswärtigen Amtes hervorgeht. Es sehe so aus, "als
wollten sich zentraleuropäische Staaten der Nato anschließen", meinte Baker. Das sei eine Frage "an der
wir gegenwärtig nicht rühren sollten", antwortete Genscher. Baker stimmte zu. Die Staatenlenker von
damals sind heute ältere Herren, bisweilen fällt die Erinnerung schwer, und natürlich wollen sie alle in
den Geschichtsbüchern gut dastehen. Gorbatschow will nicht derjenige sein, der es damals versäumte, das
Tor zur Osterweiterung der Nato fest zu verschließen; Genscher und Baker wollen nicht den Vorwurf auf
sich ziehen, sie hätten mit Moskau über die Köpfe von Polen, Ungarn oder Tschechen hinweggedealt. Und
Schewardnadse sieht in der Erweiterung der Nato schon lange "nichts Schreckliches" mehr. Kein Wunder,
denn sein Heimatland Georgien will Nato-Mitglied werden.
Damals war die Interessenlage eine andere.
Bonn und Washington planten, die deutsche Einheit so schnell wie möglich voranzutreiben. Wenige Tage nach
den Gesprächen im Kreml trafen Genscher, Baker und Schewardnadse erneut zusammen, dieses Mal gemeinsam
und zudem noch mit allen Außenministern der Nato- und der Warschauer-Pakt-Staaten.
Bei der
Abrüstungskonferenz im umgebauten ehemaligen Hauptbahnhof der kanadischen Hauptstadt Ottawa saßen und
standen auf den Korridoren und in den Nebenzimmern die beiden deutschen Außenminister - für die DDR noch
der Honecker-Mann Oskar Fischer - mit den Kollegen der vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs und
berieten in diversen Konstellationen den weiteren Lauf der deutschen Dinge. Am Ende stand fest: Die
äußeren Aspekte der Einheit wie die Bündnisfrage oder die Größe der Bundeswehr sollten in sogenannten
Zwei-plus-Vier-Verhandlungen geklärt werden. Genscher sagt heute, alles Wichtige hätte in diesem Forum
thematisiert werden müssen, und dort sei über einen Ausschluss einer Nato-Mitgliedschaft der Osteuropäer
nie gesprochen worden, was die Beteiligten durchweg bestätigen.
Und Genschers Äußerungen gegenüber
Schewardnadse am 10. Februar 1990?
Das sei "ein Abtasten" vor den eigentlichen Verhandlungen
gewesen, um herauszufinden, wie Moskau in der Bündnisfrage stand und ob es Spielräume gab. Mehr nicht.
Das ist die offizielle Position. Aber nicht die einzige. Ein Diplomat des deutschen Außenamts sagt,
natürlich habe es einen Konsens beider Seiten gegeben. In der Tat: Die Sowjets hätten sich wohl kaum auf
die Zweiplus-Vier-Verhandlungen eingelassen, wenn sie gewusst hätten, dass die Nato später Polen, Ungarn
und andere Länder Osteuropas aufnehmen würde. Auch so waren die Verhandlungen mit Gorbatschow schwierig;
immer wieder beteuerten westliche Politiker, man werde aus der Lage "keine einseitigen Vorteile ziehen"
(US-Präsident George Bush), und es werde "keine Verschiebung des Kräfteverhältnisses" zwischen Ost und
West geben (Genscher). Zumindest auf den Geist der Absprachen von 1990 könnte sich Russland heute mit
einigem Recht berufen. Ende Mai 1990 stimmte Gorbatschow schließlich der Bündnismitgliedschaft eines
geeinten Deutschlands zu. Aber warum ließen sich Gorbatschow und Schewardnadse die Zusagen nicht
schriftlich geben, als sie noch alle Trümpfe in der Hand hielten? Antwort des einst mächtigen
Generalsekretärs: "Anfang 1990 bestand noch der Warschauer Pakt. Allein die Vorstellung, die Nato würde
sich auf Länder dieses Bündnisses ausdehnen, klang damals vollkommen absurd." Manche westliche
Spitzenpolitiker gewannen den Eindruck, der Kreml-Chef und sein Außenminister verweigerten sich der
Realität und wollten den Niedergang der Sowjetunion als Großmacht "nicht wahrhaben" (Baker). Auf der
anderen Seite gehörte das Baltikum noch zur Sowjetunion; eine Nato-Mitgliedschaft schien Lichtjahre
entfernt. Und in manchen Teilen Osteuropas waren friedensbewegte Dissidenten an der Macht wie Václav
Havel, der zunächst nicht nur den Warschauer Pakt, sondern am liebsten auch die Nato aufgelöst hätte.
Keine osteuropäische Regierung strebte in jener Frühphase in die Nato, und das westliche Bündnis dachte
nicht daran, neue Mitglieder aufzunehmen. Zu teuer, eine unnötige Provokation Moskaus, und sollten im
Fall des Falles französische, italienische oder deutsche Soldaten ihr Leben für Polen und Ungarn
opfern?
Doch dann zerfiel 1991 die Sowjetunion; der Bosnien-Krieg mit seinen hunderttausend Toten
ließ überall die Angst vor einer Balkanisierung Osteuropas ansteigen. Und in den USA suchte ab 1993 der
neue Präsident Bill Clinton nach einer neuen Aufgabe für das westliche Bündnis. Auf einmal wollten alle
in die Nato, und bald wollte die Nato auch alle aufnehmen.
Der Streit um die Geschichte konnte
beginnen.